Logopädische Therapien für Erwachsene bei Sprach-, Sprech-, Schluck- und Stimmstörungen

Logopädie für Erwachsene

Eine logopädische Therapie bei Erwachsenen wird oft nach einer Schädigung des Gehirns oder neurologischen Erkrankung notwendig. Das können z.B. ein Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Tumore oder degenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose sein. Die Folgen sind Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen.

Aber auch Menschen mit einer hohen stimmlichen Belastung im Alltag, wie Lehrer, Kindergärtner/innen, Radiosprecher, Verkäufer etc. können von einer Stimmstörung betroffen sein. Auch Verletzungen nach Operationen z.B. der Schilddrüse, können Stimmstörungen auslösen. Dann benötigen Sie eine logopädische Therapie.

1. Sprachstörungen im Erwachsenenalter (Aphasie)

Bei einer Aphasie handelt es sich um eine erworbene Sprachstörung, die durch eine Hirnschädigung wie z.B. nach einem Schlaganfall, Gehirnblutungen, nach einem Unfall sowie bei Tumoren auftreten kann. Je nach Lokalisation der Hirnschädigung können verschiedene Bereiche der Sprache betroffen sein: Lesen, Schreiben, Sprechen und Verstehen. Es gibt verschiedene Schweregrade und Formen der Aphasie.

Wie läuft eine logopädische Behandlung bei Aphasie ab?

Bei der logopädischen Befunderhebung werden zur Abklärung entsprechende Testverfahren durchgeführt z.B. der Aachener Aphasie-Test (AAT), Aphasie-Check-Liste (ACL), um die individuellen Beeinträchtigungen festzustellen.

Allgemeine Therapieziele in der Aphasietherapie sind:

  • Die Reorganisation des gestörten Sprachsystems
  • Das Wiedererlernen von laut- und schriftsprachlichen Fähigkeiten
  • Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit im Alltag

2. Sprechstörungen im Erwachsenenalter (Dysarthrie/ Dysarthrophonie)

Bei einer Dysarthrie/ Dysarthrophonie handelt es sich um eine Störung des Sprechens. Das Sprechen der Betroffenen ist für Zuhörer schwer verständlich. Die Symptome können jedoch verschieden sein.

Betroffen können folgende Bereiche sein:

  • Atmung
  • Stimmklang
  • Sprechmelodie (Prosodie)
  • Sprechtempo
  • Artikulation/Lautbildung

Was ist die Ursache für eine Dysarthrie/ Dysarthrophonie?

Eine Dysarthrie oder Dysarthrophonie entsteht durch die Verletzung der Hirnnerven, welche die Sprechmuskulatur sowie den Kehlkopf versorgen. Dies kann durch neurologische Erkrankungen sowie durch Hirnverletzungen hervorgerufen werden.

Die häufigsten Ursachen einer Hirnverletzung:

  • Schlaganfall
  • Hirnblutungen
  • Schädel-Hirn-Trauma
  • Neurologische Erkrankungen (Parkinson, Chorea Huntington, Amyothrophe Lateralsklerose (ALS), Multiple Sklerose, Muskeldysthrophie, entzündliche Erkrankungen des Gehirns, Erkrankungen des Kleinhirns, Hirntumor)

Wie erfolgt die logopädische Behandlung einer Dysarthrie/ Dysarthrophonie?

  • Anamnese
  • Befunderhebung der möglich betroffenen Bereiche
  • gezielte Bewegungsübungen für die Zunge und die Lippen in Kombination mit der Artikulation oder Übungen zur besseren Koordination von Atmung und Stimme
  • Erstellung eines häuslichen Übungsprogramms
  • Ziel der Therapie: Verbesserung der Verständlichkeit des Patienten

3. Stimmstörungen (Dysphonie)

Eine Stimmstörung kann durch die Erkrankung der Stimmorgane, durch langjährigen falschen Stimmgebrauch sowie durch Verletzungen der Kehlkopfnerven (z.B. nach einer OP) hervorgerufen werden.

Häufig ist nicht nur die Stimme, sondern auch die Atmung, Haltung sowie Artikulation betroffen.

Eine Stimmstörung kann durch folgende Symptome gekennzeichnet sein:

  • Versagen der Stimme (Aphonie)
  • Räusperzwang
  • häufige Kehlkopfentzündungen
  • Kloßgefühl, Druck & Schmerzen im Hals
  • lang anhaltende Heiserkeit
  • Schnappatmung
  • Veränderung der Sprechstimmlage

Wie erfolgt eine logopädische Therapie?

  • Anamnese (Vorgeschichte der Erkrankung)
  • Diagnostik (Überprüfung der stimmlichen Leistungen)
  • Behandlung (Arbeit an Atmung, Haltung, Wahrnehmung der Stimme, Verbesserung des Stimmklangs, Beratung zur Stimmhygiene)

Ziel der Therapie ist es, durch funktionelle Übungen einen klaren Stimmklang zu erreichen und die Stimme belastbar für den Alltag zu machen.

4. Schluckstörungen (Dysphagie)

Eine Dysphagie ist eine erworbene Schluckstörung im Erwachsenenalter. Bei einer Schluckstörung besteht die Gefahr, dass Speichel, Nahrung und/ oder Flüssigkeit in die Atemwege gelangt. Dieses Verschlucken wird auch Aspiration genannt. Im schlimmsten Fall kann dies zu Erstickungsanfällen oder einer Lungenentzündung führen.

Neben dem „Verschlucken“ können noch weitere Auswirkungen wie z.B. Mangelernährung, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit oder ein zu geringer Flüssigkeitshaushalt bestehen.

Mögliche Anzeichen für eine Schluckstörung

  • häufiges Verschlucken an Speichel, Nahrung und Flüssigkeit
  • häufiges Räuspern oder Husten
  • gurgelnder oder feuchter Stimmklang
  • Austritt/ Ausspucken von Nahrung, Speichel oder Flüssigkeit
  • Nahrungsverweigerung/ Gewichtsverlust
  • erschwerte/ verlängerte Nahrungsaufnahme
  • Angst vor dem Schlucken
  • Fremdkörpergefühl im Hals
  • Aufstoßen/Sodbrennen
  • Fieber unklarer Herkunft

Mögliche Ursachen einer Schluckstörung

  • Schlaganfall
  • Schädel-Hirn-Trauma
  • Hirntumore sowie Zustände nach deren Operationen
  • Morbus Parkinson
  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
  • Multiple Sklerose (MS)
  • Demenz
  • weitere neurologische Erkrankungen

Was beinhaltet eine logopädische Therapie?

  • Erklärung der anatomischen und physiologischen Grundlagen
  • Befund- und Therapieplanbesprechung
  • Verbesserung der Körperhaltung und der Körperspannung
  • Verbesserung der am Schlucken beteiligten Muskulatur durch gezielte aktive und passive Methoden
  • Erlernen von kompensatorischen Maßnahmen (Schlucktechniken)
  • ggf. Anpassung der Hilfsmittel (Becher, Löffel, Teller …) an die individuelle Problematik
  • Aufklärung und Beratung des Patienten, der Angehörigen und des Pflegepersonals

5. Gesichtslähmungen einer oder beider Gesichtshälften (Fazialisparese)

Bei einer Gesichtslähmung/ Fazialisparese funktioniert plötzlich die mimische Muskulatur nicht mehr. Das Lächeln, Pfeifen, Nase rümpfen, Blinzeln sowie das Stirnrunzeln kann plötzlich nicht mehr funktionieren. Die Muskeln die für die Mimik zuständig sind wie der Mund, die Wangen, die Nase, die Augen sowie die Stirn lassen sich nicht mehr richtig bewegen.

Die Gesichtslähmung kann entweder einseitig oder sogar beidseitig auftreten.

Schuld für die Gesichtslähmung ist eine Störung des 7. Hirnnervs (Nervus facialis).

Man unterscheidet zwischen einer peripheren oder zentralen Lähmung.

Bei der peripheren Lähmung ist der Hirnnerv selbst an irgendeiner Stelle vom Hirnstamm bis hin zu seinen kleinsten Verästelungen gestört. Die Betroffenen können meistens die ganze Gesichtshälfte sowie Stirn und Augen nicht mehr bewegen.

Bei einer zentralen Lähmung liegt eine Schädigung der leitenden Nervenzellen im Gehirn vor.

Welche Auffälligkeiten können sich zeigen?

  • Schwäche oder vollständige Lähmung der mimischen Muskulatur einer Seite
  • hängender Mundwinkel
  • inkompletter oder schwacher Mundschluss (beim Trinken ist der Patient nicht in der Lage die Flüssigkeit vollständig im Mundraum zu behalten)
  • Stirn kann nicht gerunzelt werden („erstaunt schauen“)
  • der Lidschluss ist nicht oder nur unvollständig möglich
  • häufig: Minderung der Geschmacksempfindung durch Verlust der Empfindung süß und salzig auf den vorderen zwei Dritteln einer Zungenhälfte
  • teilweise vorhergehende Schmerzen im Ohrbereich

Mögliche Ursachen einer Gesichtslähmung

  • virale- oder bakterielle Infektionen und Entzündungen
  • Fehlbildungen (eine vor der Geburt entstandene oder angelegte Fehlgestaltung eines Organs)
  • Verletzungen (z.B. bei Unfällen)
  • Tumore
  • Schlaganfälle
  • Gehirnblutungen

Wie lässt sich eine Gesichtslähmung behandeln?

Zunächst wird in der logopädischen Therapie ermittelt, um welche Art der Lähmung es sich handelt. Anschließend werden spezielle Übungen sowie Stimulationsmethoden angewandt, um die beeinträchtigten Muskeln und Bewegungen wieder anzubahnen oder zu verbessern.

6. Stimmlippenlähmungen (Recurrensparese)

Bei einer Stimmlippenlähmung sind entweder eine Stimmlippe oder beide Stimmlippen in ihrer Bewegung eingeschränkt oder ganz gelähmt.

Eine Stimmlippenlähmung entsteht, wenn die Kehlkopfmuskulatur über den Stimmlippennerv (Nervus laryngeus recurrens) nicht mehr die notwendigen Impulse erhält. Da dies ein relativ langer Nerv ist und dabei verschiedene Organe berührt wie z.B. die Schilddrüse und den Kehlkopf, biete er eine große Angriffsfläche für Verletzungen.

Ursachen für eine Stimmlippenlähmung:

  • Operationen an der Schilddrüse
  • Operationen an der Halswirbelsäule
  • Erkrankungen im Brustbereich
  • Infektionserkrankungen

Symptome einer Stimmlippenlähmung:

  • Heiserkeit (bei einseitiger Stimmlippenlähmung)
  • hoher Luftverbrauch bei körperlicher Anstrengung (bei beidseitiger Stimmlippenlähmung)
  • Verschlucken während des Trinkens oder Essens (Aspiration)

Wie erfolgt die logopädische Behandlung einer Stimmlippenlähmung?

  • Anamnese
  • Befundung
  • Verbesserung und Wiederherstellung des Stimmklangs durch Stimm-, Atem und Körperübungen
  • Einsatz von Therapiematerialen
  • Erstellung eines häuslichen Therapieprogramms
  • Beratung, Aufklärung & Anleitung

7. Kehlkopfentfernung (Laryngektomie)

Eine Kehlkopfentfernung wird fast immer aufgrund einer Krebserkrankung des Kehlkopfes oder des tiefen Rachens durchgeführt.

Nachdem eine Kehlkopfentfernung durchgeführt wurde, ist eine natürliche Stimmgebung nicht mehr möglich. Häufig ist daher das Erlernen einer Ersatzstimme oder die Versorgung mit einer elektronischen Sprechhilfe notwendig. Meist erfolgt diese bereits in der anschließenden REHA, jedoch ist häufig danach noch eine ambulante Therapie in einer logopädischen Praxis empfehlenswert.

Bei der logopädischen Therapie bestehen folgende Möglichkeiten:

  • Erlernen einer besonders deutlichen Artikulation (Pseudoflüstern)
  • Einsatz einer elektronischen Sprechhilfe (z.B. Servox) Die Tongebung erfolgt über ein an den Mund oder Hals gehaltenes, batteriebetriebenes Gerät. Der Klang wird teilweise als „technisch“ empfunden.
  • Erlernen der Ruktusstimme (Speiseröhrenstimme): Der Patient lernt, Luft bewusst in die Speiseröhre zu drücken und diese für die Bildung von Lauten zu nutzen.
  • Sprechen mit dem Shunt-Ventil (meist Kunststoffventil, das chirurgisch zwischen Luft- und Speiseröhre eingebracht wird und das es erlaubt, die Atemluft der Lunge für die Stimmgebung zu verwenden.

8. Zentrale Planungsstörungen von Sprechbewegungen (Apraxie)

Bei einer Sprechapraxie handelt es sich um eine Planungsstörung der Sprechbewegungen. Dabei können folgende Bereiche betroffen sein:

  • Artikulation (lautliche Abweichungen, Erstellung von Lauten)
  • Sprechmelodie (ist häufig sehr monoton)
  • Sprechrhythmus (die Sprechgeschwindigkeit ist häufig vermindert)
  • Sprechverhalten (Vokale werden gedehnt gesprochen, silbische Sprechweise)

Das häufig angestrengte Sprechen führt zu:

  • mimischen Mitbewegungen
  • gepresster Stimme
  • Anspannung der Hals- und Gesichtsmuskulatur

Die Betroffenen fühlen sich häufig unzufrieden, wenn sie aufgrund ihrer beeinträchtigten Sprache nicht verstanden werden.

Wie erfolgt eine logopädische Therapie?

  • Anamnese
  • Befundung
  • Behandlung (Artikulationsübungen auf Einzellauten oder auf Silben- und Wortebene, rhythmisch-melodische Übungen, Einsatz von Unterstützter Kommunikation)
  • Anleitung & Beratung