Logopädische Therapien für Kinder bei Aussprachestörungen und Sprachentwicklungsstörungen

Logopädie für Kinder und Jugendliche

Im Rahmen der sprachlichen Entwicklung durchlaufen Kinder viele verschiedene Phasen, die sie unterschiedlich schnell oder langsam bewältigen. Dies kann dazu führen, dass der normale Spracherwerb nicht altersgemäß verläuft (Sprachentwicklungsstörungen).

Wenn den Eltern die Unterschiede in der sprachlichen Entwicklung des eigenen Kindes im Vergleich mit Gleichaltrigen auffallen und sie unsicher sind und Sprachprobleme feststellen, sollte eine Logopädin aufgesucht werden. Die logopädische Therapie für Kinder findet eher spielerisch statt.

1. Aussprache­störungen

Man unterscheidet dabei zwischen phonetischen Störungen, phonologischen Störungen sowie phonetisch-phonologischen Störungen.

Die phonetischen Störungen werden als Sprechstörungen bezeichnet, da das Kind nicht in der Lage ist die Laute korrekt zu bilden bzw. sie fehlbildet. Am bekanntesten ist die Fehlbildung des Lautes /s/, welches als „Lispeln“ bekannt ist.

Bei einer phonologischen Störung können die Kinder die Laute korrekt bilden, jedoch wenden sie die Laute nicht korrekt an.

Beispiele für Ersetzungen: Schule => Sule, Kasse => Tasse

Beispiele für Auslassungen: Knopf => Nopf, Blume => Bume

Häufig bestehen auch Mischformen, die so genannten phonetisch-phonologischen Störungen. Die Kinder können dann einige Laute nicht korrekt aussprechen und wenden diese teilweise auch nicht korrekt an. Aus diesem Grund sind die Kinder für Außenstehende Personen oft unverständlich.

2. Sprachentwicklungs­störungen

Bei einer Sprachentwicklungsstörung (SES) können folgende Bereiche betroffen sein:

  • zu geringer Wortschatz
  • Nebensätze bei 3-4-jährigen Kind fehlen
  • fehlerhafte Grammatik z. B.
    • bei der Mehrzahlbildung „Das sind zwei Tigers“
    • bei der Verwendung der Artikel „Das Tisch“
    • bei der Satzstruktur „Das Kind über die Straße laufen“
    • die Äußerungslänge ist nicht altersgemäß

Oft besteht bei dieser Störung noch eine Kombination mit weiteren Störungsbildern wie z. B. Aussprachestörungen, Myofunktionellen Störungen sowie auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen.

Die Kinder haben eine eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit.

Wann liegt bei Zwei- oder Mehrsprachigkeit eine SES vor?

Tauchen mehrere oben beschriebene Probleme sowohl in der Muttersprache als auch im Deutschen auf, handelt es sich um eine Sprachentwicklungsstörung und darf logopädisch behandelt werden.

Wie läuft eine logopädische Therapie bei Sprachentwicklungsstörungen ab?

Der Arzt verordnet Ihrem Kind ein Rezept für Logopädie.

Zunächst findest ein ausführliches Gespräch mit den Eltern über die Probleme des Kindes und möglichen Ursachen sowie einer speziellen logopädischen Befunderhebung statt. Nach Begutachtung und Auswertung der Ergebnisse der Befundung teilt die Logopädin diese den Eltern mit und zeigt Ihnen mögliche Therapiemethoden und Ziele auf.

Nach der Erstellung eines auf Ihr Kind abgestimmten Behandlungsplanes beginnt die Therapie. Die Therapie findet altersgerecht und spielerisch statt.

Je nach Schweregrad der Störung dauert eine logopädische Behandlung zwischen 20 und 60 Therapieeinheiten. Sie findet 1-2 Mal wöchentlich statt und dauert in der Regel 45 Minuten.

In manchen Fällen müssen weitere Therapieeinheiten eingeplant werden. Häufig beinhaltet der Behandlungsprozess Therapiepausen (ca. 3 Monate), damit Ihr Kind das bereits Gelernte verarbeiten und im Alltag anwenden kann.

In regelmäßigen Abständen finden Elterngespräche statt. Der Arzt wird über den Stand der Therapie durch schriftliche Berichte der Logopädin auf dem Laufenden gehalten.

3. Störungen der am Sprechakt beteiligten muskulären Strukturen (Myofunktionelle Störungen)

Bei einer Myofunktionellen Störung handelt es sich um falsche Bewegungsmuster von Zunge und Lippen während des Schluckens. Die Störung zeigt sich so, dass sich während jedes Schluckaktes (1000 bis 2000 mal pro Tag) die Zunge paradoxer Weise nach vorne zwischen die Zähne oder gegen die Frontzähne drückt. Da die Zunge eines der stärksten Muskelkomplexe unseres Körpers ist, kann sie die Zähne verschieben oder sogar den Kiefer verformen.

Ein weiterer Faktor ist, dass häufig ungünstige Muskelspannungszustände im Mundbereich bestehen wie z. B. die physiologische Zungenruhelage wird nicht berücksichtigt oder die Lippen sind dauerhaft geöffnet.

Häufig geht eine Myofunktionellen Störung mit einer Fehlbildung des /s/- Lauts „Lispeln“ einher.

Welches Erscheinungsbild zeigt eine Myofunktionelle Störung?

  • Offene Lippenhaltung
  • Mundatmung
  • Unterlippen verdickt und gerötet
  • Unterlippe nass
  • Speichel in den Mundwinkeln
  • Mimische Muskulatur ist wenig ausgeprägt
  • Zunge stößt in der Ruhelage gegen die Zähne, bzw. liegt zwischen den Zähnen
  • Artikulationsfehler, häufig bei s, sch und n, d, t, l
  • Haltungsprobleme

Wie lässt sich eine Myofunktionelle Störung (und das Lispeln) behandeln?

Bei der Myofuktionellen Therapie werden spielerisch verschiedene Übungen angeboten, um die Zungen- und Lippenmuskulatur zu kräftigen. Weiterhin werden Wahrnehmungsübungen für den Mundraum, Übungen zur Verbesserung der physiologischen Zungen- und Lippenruhelage durchgeführt. Diese Übungen sind die Voraussetzung, um einen physiologischen Schluckakt sowie die korrekte Bildung des /s/-Lauts zu erzielen.

Hierzu wird ein häusliches Programm erarbeitet.

Abhängig von Schweregrad und individueller Entwicklung kann die Therapie mit einer Gesamtdauer von ca. 30 Behandlungen angegeben werden.

4. zentral-auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungs­störungen

Eine Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung liegt vor, wenn bei normalem Hören (unauffälliges Tonaudiogramm) und nicht beeinträchtigter Intelligenz zentrale Prozesse des Hörens (Hörverarbeitung) gestört sind.

Folgende Teilfunktionen können bei einer AVWS eingeschränkt sein:

  • auditive Aufmerksamkeit (horchen)
  • Diskriminationsleistung (Entdecken der wichtigen Signale im Störlärm z. B. Lehrerstimme)
  • Differenzierungsleistung bei komplexen Hörinformationen (Diktat, z. B. bei der Unterscheidung von ähnlich klingenden Lauten, z. B. zwischen /b/ und /p/)
  • zeitliches Auflösungsvermögen (z. B. Richtungshören)
  • auditive Speicherung / Merkfähigkeit (z. B. das Merken von Gesprochenem ist wichtig für den Wortschatzaufbau und das Diktat)
  • auditive Sequenzierung (Merken der richtigen Reihenfolge von Lauten und Wörtern. Wichtig für den Satzbau und für das Befolgenkönnen von aufeinander aufbauenden Aufforderungen (z. B. der Eltern oder des Lehrers)

Was sind Anzeichen im Alltag, im Kindergarten oder später in der Schule?

Das Kind …

  • fragt häufig in Einzelsituation mit einem Gesprächspartner nach
  • beklagt sich, wenn zu leise gesprochen wird
  • zeigt eine schlechte Merkfähigkeit bei Reimen und bei Geschichten
  • hat Probleme beim Nacherzählen
  • versteht in lauter Umgebung schlechter
  • profitiert vom Mundbild oder von Gesten
  • zieht sich in großen Gruppen eher zurück
  • kann längere Sätze nicht nachsprechen
  • kann ähnlich klingende Wörter (Reimwörter) schlecht unterscheiden
  • kann die Richtung, aus der es gerufen wird, nicht sicher erkennen
  • kann sich Melodien schlecht merken
  • kann den Rhythmus eines Liedes nicht mitklatschen

5. kindliche Stimmstörungen

Der Verdacht einer Stimmstörung besteht, wenn die Stimme ihres Kindes über einen längeren Zeitraum wie folgt klingt:

  • auffallend tiefer als die eines Kindes gleichen Alters
  • deutlich höher als die anderer Kinder
  • schrill, kreischend
  • zu leise oder zu laut
  • tonlos, flüsternd, aussetzend
  • gepresst, angestrengt
  • rau, heiser, belegt
  • eintönig, monoton

Zu den stimmlichen Auffälligkeiten können noch weitere Symptome auftreten:

  • Sprechen mit hörbarer, schnappender Atmung
  • überhastete, schnelle Sprechweise
  • verwaschene, undeutliche Aussprache
  • Fehlspannungen im Schulter-, Nacken-, Hals-, und Mundbereich (Zunge / Lippen) mit Auswirkungen auf die Kehlkopfmuskulatur

Wann sollte ich Kontakt zum Kinderarzt aufnehmen?

Wenn die stimmlichen Auffälligkeiten über einen längeren Zeitraum bestehen, sollten Sie Kontakt mit ihrem Kinderarzt aufnehmen. Dieser wird sie bei einem Verdacht der Stimmstörung an einen Hals-, Nasen- Ohrenarzt bzw. einen Phoniater verweisen.

Bei einer anhaltenden Stimmstörung kann dies bei Kindern zu den sogenannten Stimmlippenknötchen „Schreiknötchen“ führen. Eine Stimmtherapie kann bereits ab einem Alter von 4 Jahren erfolgen.

Wie läuft die logopädische Therapie bei einer kindlichen Stimmstörung ab?

Die Untersuchung sowie die Therapie verlaufen spielerisch. Die Therapie orientiert sich am Alltag sowie den Interessen des Kindes z. B. Hobbys.

  • Anamnese (Fragen zur Vorgeschichte der Erkrankung)
  • Diagnostik (Überprüfung der stimmlichen Leistungen)
  • Behandlung (Arbeit an Atmung, Haltung, Wahrnehmung der Stimme, Verbesserung des Stimmklangs)
  • Beratung der Eltern

6. Stottern (Redeflussstörung)

Stottern ist eine Störung der Sprechflüssigkeit, die durch auffallend häufige Unterbrechungen im Redefluss gekennzeichnet ist.

Formen des Stotterns:

  • Wiederholungen: „Der A-A-A- Affe will ei-ei-ei-eine Banane essen.“
  • Dehnungen: „Der Tiiiiiiiiiiiiiiiiger ist gefährlich.“
  • Blockierungen: „Elefanten ____fressen gerne Blä_____tter.“

Begleiterscheinungen: Zu den Stottersymptomatiken treten häufig körperliche Begleiterscheinungen auf wie z. B. Anspannung während des Sprechens, Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur, zusätzliche Bewegungen von Kopf, Arm, Händen und Oberkörper.

Geht das Stottern wieder von alleine weg?

Im Rahmen der Sprachentwicklung treten im Alter von 2 bis 4,5 Jahren Phasen auf, in denen die Kinder manchmal Satzteile, Wörter oder Silben wiederholen oder im Sprechen innehalten, um das richtige Wort zu finden oder den Ablauf des Satzes richtig gestalten zu können. Es kann auch vorkommen, dass die Kinder einzelne Anfangsbuchstaben länger ziehen. Dies ist häufig der Fall, wenn sie aufgeregt und voller Spannung sind.

Diese Unsicherheiten im beschriebenen Alter des Sprachablaufs können völlig normal sein.

Bei 60 bis 80 % der Kinder wird das Sprechen wieder komplett flüssig. Vor allem bei kleinen Kindern kann das Stottern so schlagartig wie es aufgetreten ist wieder verschwinden.

Erst wenn ihr Kind 3 % aller gesprochenen Silben in oben genannter Weise dauerhaft verändert, handelt es sich um richtiges Stottern.

Wie läuft eine logopädische Untersuchung und Therapie ab?

Zu Beginn findet ein ausführliches Gespräch mit den Eltern über den allgemeinen Entwicklungsverlauf sowie Beginn und Verlauf des Stotterns statt.

In mehreren Spielsequenzen wird das Stottern analysiert und die gestotterten Silben gezählt.

Das wichtigste ist, dass Eltern und Kinder offenen mit dem Thema „Stottern“ umgehen und die Angst vor dem Stottern/ Sprechen reduzieren.

7. Näseln (Rhinophonien/ Rhinolalien)

Die Rhinophonie ist eine Störung der Stimm- und Sprechfunktion. Sie äußert sich darin, dass der Stimmklang nasal (verschnupft) klingt bzw. der Luftstrom nicht richtig gelenkt werden kann.

Beim Näseln wird zwischen zwei verschiedenen Formen unterschieden:

  • offenes Näseln (Rhinophonia aperta)
    • Das offene Näseln äußert sich in einer Hypernasalität (übermäßigen Nasenresonanz).
    • Beim Sprechen entweicht zu viel Luft durch die Nase anstatt durch den Mund, da das Gaumensegel nicht vollständig abdichtet
    • Dadurch werden alle oralen Laute (auffällig die Vokale, besonders /i/ und /u/) mit nasalem Stimmklang gesprochen
  • geschlossenes Näseln Rhinophonia clausa)
    • Das geschlossene Näseln äußert sich in einer Hyponasalität (zu geringen Nasenresonanz).
    • Beim Sprechen entweicht die Luft nicht durch die Nase, sondern durch den Mund
    • Dies äußert sich vor allem in einem dumpfen, verschnupften Stimmklang bei den nasalen Lauten /m/, /n/, /ng/

Therapieinhalte bei Näseln:

  • Schulung der Fremd- und Eigenwahrnehmung des Stimmklangs
  • Erarbeitung einer physiologischen Körperspannung und -haltung
  • Physiologische Lenkung des Luftstroms
  • Funktionsübungen für Lippen, Kiefer, Gaumen und Zunge
  • Aktivierung der Gaumen- und Schlundmuskulatur (bei nasalem Stimmklang)
  • Anleitung / Aufklärung / Beratung